1. Worum geht es in dieser Studie?

In dieser theoretisch-konzeptionellen Arbeit aus Kanada geht es darum, wie Paar- und Familientherapeut:innen implizite Chancen für Beziehungswachstum – sogenannte „Affordanzen“ – im therapeutischen Gespräch wahrnehmen und nutzen können. Aufbauend auf ökologischen und systemischen Theorien (v. a. Gibson, Tomm, Simon & Taylor) beschreiben die Autor:innen, wie sich aus dem, was Klient:innen „mitbringen“, konkrete therapeutische Möglichkeiten (Opportunities) entwickeln lassen, die dann gezielt für Initiativen zur Förderung von Beziehungsgesundheit genutzt werden können.

2. Was haben die Forschenden herausgefunden?

  • Affordanzen sind Potenziale, die bereits im Verhalten, der Sprache oder Geschichte von Klient:innen vorhanden sind – z. B. Hoffnung, Fürsorge, Widerspruch.
  • Therapeut:innen gestalten daraus gezielt Opportunities – Chancen für heilende Interaktionen.
  • Aus Opportunities entstehen therapeutische Initiativen, die zu positiveren Beziehungsmustern führen.
  • Differenzierung dreier Beziehungsmuster:
    • PIPs – Pathologizing Interpersonal Patterns
    • HIPs – Healing Interpersonal Patterns
    • WIPs – Wellness Interpersonal Patterns
  • Fallvignetten zeigen, wie aus scheinbar destruktivem Verhalten durch gezielte Umdeutung Beziehungsressourcen aktiviert werden können.

3. Warum ist diese Studie für praktizierende Paartherapeut:innen interessant?

  • Ermutigt zur ressourcenorientierten Gesprächsführung – auch in schwierigen Settings.
  • Hilft, scheinbar „kleine“ Aussagen als therapeutische Chancen zu erkennen.
  • Bietet eine strukturierte Denkweise für mikroprozessuale Interventionen.
  • Fördert eine differenzierte Sprache für Supervision (PIP, HIP, WIP).

4. Wie sind die Forschenden genau vorgegangen?

  • Theoretische Ableitung aus ökologischer, systemischer und narrativer Therapie.
  • Ergänzt durch vier klinische Fallvignetten aus dem Calgary Family Therapy Centre.

5. Was sind die Limitationen der Studie?

  • Keine empirische Evaluation.
  • Abstrakte Begrifflichkeit – nicht leicht zugänglich für alle Fachrichtungen.
  • Westlich-individualistischer Fokus.

Zitation (APA 7)

Tomm, K., & Taylor, L. (2025). Affordances and opportunities for relational wellness. Journal of Marital and Family Therapy, 51(2), e70004. https://doi.org/10.1111/jmft.70004

Journal-Info: Das Journal of Marital and Family Therapy ist ein double-blind peer-reviewed Journal und zählt zu den weltweit führenden Fachzeitschriften im Bereich der Paar- und Familientherapie.