1. Worum geht es in dieser Studie?

Diese konzeptionell-theoretische Arbeit aus den USA beschäftigt sich mit einem zentralen Thema der Paartherapie: Wie können Therapeut:innen Paaren helfen, Vertrauen, Fairness und Gerechtigkeit in ihren Beziehungen aufzubauen oder wiederherzustellen? Die Autorin knüpft an das Konzept der Kontextuellen Therapie nach Ivan Boszormenyi-Nagy an und erweitert dieses um feministische und gesellschaftspolitische Perspektiven. Der Fokus liegt auf der Rolle von relationaler Ethik, generationsübergreifenden Loyalitäten und dem Umgang mit Ungleichheiten in Paarbeziehungen.

Dabei werden sowohl theoretische Grundlagen erläutert als auch praxisnahe Fallbeispiele und klinische Empfehlungen gegeben.

2. Was haben die Forschenden herausgefunden?

  • Vertrauen entsteht nicht durch Einsicht, sondern durch faire Gegenseitigkeit im Geben und Nehmen („ledger“-Prinzip).
  • Ein zentraler Störfaktor in Paarbeziehungen ist sogenannte destruktive Berechtigung – also der Versuch, erfahrenes Unrecht aus der Vergangenheit in der aktuellen Beziehung „auszugleichen“.
  • Gute Paartherapie muss sich nicht nur auf Symptome oder Kommunikation konzentrieren, sondern auch auf generationenübergreifende Loyalitäten, historische Ungerechtigkeiten und faire Rollenverteilungen.
  • Ein Schlüsselkonzept ist „Multidirektionale Parteilichkeit“: Aktives Zuhören bei beiden Partner:innen, empathische Unterstützung und das Einfordern verantwortlichen Handelns.
  • Gerechtigkeit bedeutet nicht Gleichheit, sondern wechselseitige Anerkennung von Bedürfnissen, Beiträgen und Belastungen – eingebettet in soziale Machtverhältnisse.

3. Warum ist diese Studie für praktizierende Paartherapeut:innen interessant?

  • Ein ethisch fundiertes Konzept von Fairness, das über reine Kommunikationstechniken hinausgeht.
  • Konkrete Werkzeuge zur Arbeit mit intergenerationaler Loyalität, destruktiver Berechtigung und relationaler Verantwortung.
  • Gesellschaftskritische Perspektive, die systemische Arbeit in größere soziale Kontexte einbettet (z. B. Geschlechterrollen).
  • Starker Impuls, tiefergehende Prozesse in Paarbeziehungen zu erkunden und therapeutisch nutzbar zu machen.

4. Wie sind die Forschenden genau vorgegangen?

  • Konzeptionell-theoretischer Ansatz auf Basis vorhandener Literatur.
  • Zahlreiche klinische Fallbeispiele mit Fokus auf komplexe Dynamiken und ethisch herausfordernde Situationen.
  • Modell mit fünf Dimensionen: Biologie, individuelle Psychologie, Transaktionen, relationale Ethik, ontisches Sein.

5. Was sind die Limitationen der Studie?

  • Keine empirische Evaluation – theoretisch fundiert, aber ohne Datenbasis.
  • Kulturelle Generalisierbarkeit begrenzt, obwohl Kontextsensibilität betont wird.
  • Komplexe Begriffe, die nicht leicht vermittelbar sind und therapeutisches Vorwissen erfordern.
  • Risiko der Überforderung durch theoretische Dichte, vor allem in lösungsorientierten Settings.

Zitation (APA 7)

Daneshpour, M. (2025). Couples therapy and the challenges of building trust, fairness, and justice. Family Process, 64(1), e13072. https://doi.org/10.1111/famp.13072

Journal-Info: Family Process ist ein renommiertes peer-reviewed Journal mit double-blind peer-review und hoher Relevanz im Bereich der systemischen und familientherapeutischen Forschung.