Die Angst vor einer Beziehung: Einblicke und Lösungen durch Paartherapie

Als Paartherapeut begegne ich oft Menschen, die Angst vor engen Beziehungen haben. Diese Angst kann das persönliche Glück und die Fähigkeit, dauerhafte Bindungen einzugehen, erheblich beeinträchtigen. In diesem Artikel erforschen wir die Ursachen dieser Beziehungsängste, zeigen auf, wie sich diese in den frühen Phasen einer Beziehung äußern können, und diskutieren, wie Paartherapie helfen kann, diese Herausforderungen zu bewältigen.

 

Theorien und Modelle der Beziehungsangst

Bindungstheorie

Die Bindungstheorie, entwickelt von John Bowlby, ist grundlegend, um das Phänomen der Beziehungsangst zu verstehen. Bowlby argumentierte, dass das Bindungsverhalten, das wir in der frühen Kindheit mit unseren primären Betreuern entwickeln, den Grundstein für unsere späteren Beziehungsmuster legt. Menschen, die sicher gebunden sind, fühlen sich in Beziehungen wohl und sicher. Diejenigen mit unsicheren Bindungsstilen (ängstlich, vermeidend oder desorganisiert) erleben hingegen oft Angst vor Nähe oder Abhängigkeit (Bowlby, J., “Attachment and Loss”).

Kognitive Theorien

Kognitive Theorien konzentrieren sich darauf, wie unsere Gedanken und Überzeugungen unsere Beziehungsfähigkeit beeinflussen. Aaron Beck, ein Pionier der kognitiven Therapie, beschrieb, wie dysfunktionale Überzeugungen und Gedankenmuster zu emotionalen und verhaltensbezogenen Problemen in Beziehungen führen können. Personen mit Beziehungsangst können von Überzeugungen wie “Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden” oder “Beziehungen enden immer in Schmerzen” beeinflusst werden, die eine tief sitzende Angst vor Intimität fördern (Beck, A. T., “Love Is Never Enough”).

Verhaltensmodelle

Diese Modelle betrachten die spezifischen Verhaltensweisen, die Menschen anwenden, um sich vor den wahrgenommenen Gefahren von Beziehungen zu schützen. Dazu gehören Vermeidung und Rückzug aus Situationen, die emotionale Nähe erfordern könnten. Diese Verhaltensweisen bieten kurzfristig Erleichterung von Angst, verstärken jedoch langfristig die Angst und das Vermeidungsverhalten (Leahy, R. L., “Anxiety Free”).

Evolutionäre Perspektiven

Evolutionäre Psychologen wie David Buss haben argumentiert, dass viele Merkmale unserer psychologischen Konstitution, einschließlich Angst vor Nähe, evolutionäre Anpassungen sind, die dazu dienen, unsere Vorfahren vor Gefahren zu schützen. In modernen Beziehungen können solche Ängste jedoch kontraproduktiv sein, indem sie uns daran hindern, stabile und erfüllende Beziehungen zu führen (Buss, D. M., “The Evolution of Desire”).

Systemische Theorie

Die systemische Theorie sieht Beziehungsängste als Teil eines umfassenderen sozialen und familiären Systems. Salvador Minuchin, ein bekannter Familientherapeut, betonte, wie familiäre Muster und Dynamiken individuelle Verhaltensweisen beeinflussen können. Beziehungsängste können demnach auch als Ergebnis dysfunktionaler familiärer Interaktionen entstehen, die Angst vor Nähe und Verletzlichkeit fördern (Minuchin, S., “Families and Family Therapy”).

 

Verhalten beziehungsängstlicher Menschen in frühen Beziehungsphasen

Menschen mit Beziehungsangst zeigen oft charakteristische Verhaltensweisen, wenn sie beginnen, sich jemandem zu nähern:

– Rückzug und Distanzierung: Angst vor Nähe kann dazu führen, dass sich eine Person zurückzieht, sobald die Beziehung ernst zu werden droht.

– Sabotage: Selbstsabotierende Verhaltensweisen wie das Schaffen unnötiger Konflikte können dazu dienen, Distanz zu schaffen und so die Nähe zu vermeiden.

– Übermäßige Kritik: Indem potenzielle oder tatsächliche Fehler des Partners überbewertet werden, schützt sich die beziehungsängstliche Person vor der Verletzlichkeit, die mit emotionaler Intimität einhergeht.

– Vermeidung von Bindung: Verpflichtungen werden vermieden, um Unabhängigkeit zu bewahren und Kontrolle über die eigene emotionale Sicherheit zu behalten.

– Misstrauen und Skepsis: Schwierigkeiten beim Aufbau von Vertrauen können aus Angst resultieren, verletzt oder enttäuscht zu werden.

 

Selbstreflexion: Erkennen eigener Beziehungsängste

Es ist wichtig für Menschen, die möglicherweise Beziehungsängste haben, ihre Gefühle und Verhaltensweisen zu reflektieren:

– Fühlt man sich regelmäßig unwohl bei dem Gedanken an eine enge Bindung?

– Neigt man dazu, nach Ausreden zu suchen, um allein zu sein, auch wenn man sich einsam fühlt?

– Hat man Schwierigkeiten, über eigene Gefühle zu sprechen, und vermeidet man es, sich emotional zu öffnen?

– Enden Beziehungen häufig, bevor sie sich vertiefen können?

 

Die Rolle der Paartherapie bei Beziehungsangst

Paartherapie bietet effektive Strategien, um Beziehungsängste zu überwinden:

  1. Förderung sicherer Bindungen: Der Therapeut schafft einen sicheren Raum, in dem sich beide Partner öffnen und Vertrauen aufbauen können.
  2. Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten: Durch gezielte Übungen lernen Paare, effektiv und empathisch zu kommunizieren.
  3. Herausforderung negativer Denkmuster: Durch kognitive Umstrukturierung können beziehungsängstliche Personen lernen, ihre destruktiven Überzeugungen zu überdenken.
  4. Änderung von Vermeidungsverhalten: Erkennen und Ersetzen von Vermeidungsstrategien durch konstruktivere Verhaltensweisen.
  5. Aufbau emotionaler Nähe: Schrittweise Erhöhung der Intimität, ohne den beziehungsängstlichen Partner zu überfordern.

 

Die regelmäßige Teilnahme an Paartherapie kann nicht nur Beziehungsängste reduzieren, sondern auch dazu beitragen, die Beziehung auf eine gesündere, erfüllende Ebene zu bringen.