Borderline-Persönlichkeitsstörungen sind bekanntermaßen eine Herausforderung für Paarbeziehungen. In dieser qualitativen Studie (n=10) wird untersucht, was die Paare über ihre Belastung und ihre Lösungsstrategien berichten. Die Studie ist komplett downloadbar bei ResearchGate (Link s. weiter unten).

Der folgende Beitrag wurde im Journal of Marital and Family Therapy veröffentlicht. Dieses Journal erscheint im Wiley Verlag und widmet sich speziell der systemischen Familientherapie. Das Journal ist nach Angaben des Finanziers, der American Association for Marriage and Family Therapy, peer-reviewed.

„I’m fighting with BPD instead of my partner“: A dyadic interpretative phenomenological analysis of the lived experience of couples navigating borderline personality disorder.

Zitation: O’Leary AM, Landers AL, Jackson JB. „I’m fighting with BPD instead of my partner“: A dyadic interpretative phenomenological analysis of the lived experience of couples navigating borderline personality disorder. J Marital Fam Ther. 2024 Jan;50(1):45-70. doi: 10.1111/jmft.12669. Epub 2023 Oct 9. PMID: 37811894.

In dieser Studie werden die Erfahrungen von Paaren untersucht, die mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD, Borderline Personality Disorder) umgehen. BPD ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch interpersonelle Dysfunktion, Ablehnungsempfindlichkeit und Emotionsregulationsstörungen gekennzeichnet ist. BPD ist mit romantischen Beziehungsproblemen und -auflösungen verbunden. Die Autor:innen wollten verstehen, wie BPD die Paarbeziehung beeinflusst und wie die Paare damit zurechtkommen.

Die Autor:innen führten dyadische Interviews mit 10 Paaren durch, bei denen ein Partner mit BPD diagnostiziert war. Sie verwendeten die interpretative phänomenologische Analyse, um die Daten zu analysieren. Sie identifizierten zwei übergeordnete Themen, die die gemeinsame Erfahrung der Paare beschreiben: (a) die geteilte Erfahrung von BPD als ein relationaler Stressor; und (b) adaptive dyadische Bewältigung im Kontext von BPD.

Das erste Thema beschreibt, wie BPD als ein relationaler Stressor erlebt wurde, der verschiedene Aspekte der Paarbeziehung beeinträchtigte. Die Paare berichteten von folgenden Herausforderungen:

  • BPD-Symptome: Die Paare erlebten die BPD-Symptome des betroffenen Partners als belastend und beängstigend. Dazu gehörten emotionale Instabilität, Impulsivität, Selbstverletzung, Suizidalität, Identitätsstörungen, Verlassenheitsängste und Paranoia.
  • Kommunikation: Die Paare hatten Schwierigkeiten, effektiv zu kommunizieren, insbesondere während Konflikten oder Stresssituationen. Die BPD-Symptome führten zu Missverständnissen, Vorwürfen, Rückzug, Manipulation und Aggression.
  • Unterstützung: Die Paare fühlten sich oft überfordert, isoliert und unverstanden in ihrer Rolle als Unterstützer oder Unterstützte. Der nicht betroffene Partner fühlte sich verantwortlich, schuldig und hilflos, während der betroffene Partner sich abhängig, unwürdig und ungeliebt fühlte.
  • Beziehungsqualität: Die Paare erlebten eine Beeinträchtigung ihrer Beziehungsqualität, die sich in verminderter Intimität, Vertrauen, Zufriedenheit und Stabilität äußerte. Die Paare hatten auch Schwierigkeiten, ihre individuellen und gemeinsamen Bedürfnisse, Grenzen und Ziele auszubalancieren.

Das zweite Thema beschreibt, wie die Paare adaptiv mit BPD umgingen, indem sie verschiedene Strategien anwandten, um ihre Beziehung zu stärken und zu schützen. Die Paare berichteten von folgenden Strategien:

  • BPD-Externalisierung: Die Paare versuchten, BPD als einen externen Faktor zu betrachten, der von ihrem Partner und ihrer Beziehung getrennt war. Dies half ihnen, BPD nicht zu personalisieren, zu verurteilen oder zu identifizieren, sondern als einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen.
  • Dyadisches Coping: Die Paare engagierten sich in dyadischem Coping, das heißt, sie unterstützten sich gegenseitig bei der Bewältigung von BPD-Stressoren. Dies beinhaltete, empathisch zuzuhören, emotionalen Beistand zu leisten, praktische Hilfe anzubieten, positive Rückmeldungen zu geben und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
  • Ressourcen: Die Paare nutzten verschiedene externe Ressourcen, um ihre Bewältigungsfähigkeit zu verbessern. Dazu gehörten Therapie, Medikamente, Selbsthilfegruppen, Bildung, Familie und Freunde. Die meisten Paare berichteten, dass Therapie eine entscheidende Rolle in ihrer Reise zur adaptiven Bewältigung von BPD spielte, sowohl intrapersonal als auch interpersonal.
  • Wachstum: Die Paare erkannten, dass BPD auch positive Auswirkungen auf ihre Beziehung hatte, wie z.B. mehr Verständnis, Respekt, Akzeptanz, Wertschätzung, Engagement und Liebe. Die Paare sahen BPD als eine Gelegenheit, persönlich und gemeinsam zu wachsen und zu lernen.

Die Ergebnisse der Studie liefern Therapeuten ein besseres Verständnis für die Ressourcen, die die adaptive dyadische Bewältigung von BPD unterstützen. Die Autor:innen schlagen vor, dass Therapeuten BPD-Externalisierung, dyadisches Coping und Ressourcennutzung fördern und die Paare in ihrer Wachstumserfahrung validieren sollten. Die Autor:innen diskutieren auch die methodischen Stärken und Grenzen ihrer Studie und geben Empfehlungen für zukünftige Forschung.