Aus dem Kolleg:innenkreis und natürlich aus meiner eigenen Praxis kenne ich sowohl die Freude, wenn Paare zwischen den Sitzungen ihre „Hausaufgaben“ erledigt haben, als auch die Selbstzweifel, wenn sie mit leeren Händen zur nächsten Sitzung auftauchen. Was das Erledigen und Nicht-Erledigen mit der therapeutischen Allianz macht, untersucht die folgende Studie.

Diese Australien-US-Studie erschien im Scandinavian Journal of Psychology im Wiley-Verlag, das blind-peer-reviewed ist und damit einen hohen wissenschaftlichen Anspruch formuliert.

Clinician experiences of homework in couples and family therapy: A survey of perceived impact on the working alliance.

Zitation: Kazantzis N, Dattilio FM, Shinkfield G, Petrik AM. Clinician experiences of homework in couples and family therapy: A survey of perceived impact on the working alliance. Scand J Psychol. 2023 Feb;64(1):1-9. doi: 10.1111/sjop.12861. Epub 2022 Jul 25. PMID: 35876257.

Diese Studie beschäftigt sich mit den Erfahrungen von Klinikerinnen und Klinikern mit Hausaufgaben in der Paar- und Familientherapie. Die Autor:innen untersuchten, wie sich die Einhaltung und Nichterfüllung von Hausaufgaben auf die therapeutische Allianz auswirken. Die therapeutische Allianz ist die Qualität der Beziehung zwischen Therapeutin oder Therapeut und Klientin oder Klient, die für den Therapieerfolg wichtig ist.

Die Autor:innen führten eine Umfrage unter 226 Klinikerinnen und Klinikern durch, die mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) oder anderen Ansätzen arbeiteten. Sie fragten nach (1) ihrer Erfahrung mit der Quantität und Qualität der Hausaufgaben bei Paar- und Familienklient:innen und (2) ihrer Erfahrung mit dem Einfluss von Hausaufgabennichterfüllung auf die therapeutische Allianz. Hausaufgaben sind in der KVT ein zentrales Element, um das Gelernte in den Alltag zu übertragen und zu festigen. Hausaufgaben können z.B. Übungen, Beobachtungen oder Lesematerial sein, die zwischen den Sitzungen durchgeführt werden sollen.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass:

  • Klinikerinnen und Kliniker, die mit Familien arbeiteten, weniger Hausaufgabenquantität und -qualität berichteten als solche, die mit Paaren arbeiteten. Das heißt, sie gaben ihren Familienklient:innen seltener und weniger spezifische Hausaufgaben und erhielten weniger Rückmeldung darüber.
  • Klinikerinnen und Kliniker, die weniger Hausaufgabenquantität berichteten, auch mehr negative Effekte der Hausaufgabennichterfüllung auf die therapeutische Allianz wahrnahmen. Das heißt, sie empfanden, dass die Nichterfüllung von Hausaufgaben die Bindung und die Übereinstimmung mit ihren Klient:innen beeinträchtigte.
  • Klinikerinnen und Kliniker mit weniger Berufserfahrung ebenfalls mehr negative Effekte der Hausaufgabennichterfüllung auf die therapeutische Allianz berichteten als solche mit mehr Berufserfahrung. Das könnte darauf hindeuten, dass sie weniger Kompetenz oder Selbstvertrauen im Umgang mit Hausaufgabennichterfüllung hatten.
  • Die theoretische Orientierung der Klinikerinnen und Kliniker keinen Einfluss auf die Hausaufgabenquantität, -qualität oder Hausaufgabennichterfüllung hatte. Das bedeutet, dass sowohl KVT- als auch Nicht-KVT-Klinikerinnen und -Kliniker ähnliche Erfahrungen mit Hausaufgaben machten.

Die Autor:innen schlussfolgerten, dass Hausaufgaben in der Paar- und Familientherapie eine Herausforderung darstellen können, die die therapeutische Allianz negativ beeinflussen kann. Sie empfahlen, dass zukünftige Untersuchungen die Prozesse der Förderung der Hausaufgabenbeteiligung im Kontext einer starken therapeutischen Allianz erforschen sollten. Sie schlugen auch vor, dass Klinikerinnen und Kliniker mehr Ausbildung und Supervision in Bezug auf Hausaufgaben erhalten sollten, um ihre Fähigkeiten und ihr Selbstvertrauen zu verbessern.