Diesen Open-Access-Journalartikel habe ich ausgesucht, weil im Kolleg:innenkreis sehr oft von den Herausforderungen in der Paararbeit mit Borderline-Persönlichkeiten berichtet wird.
In diesem Artikel eines kanadischen Forschungsteams wird die Wirksamkeit von Sage behandelt. Sage ist ein zwölfteiliges, strukturiertes Behandlungskonzept für Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, das aktiv den Beziehungspartner / die Beziehungspartnerin mit einbezieht. So interessant das Konzept klingt, so muss diese Publikation mit Vorsicht behandelt werden. Nach meinen Recherchen durchlief diese Publikation kein Peer-Review-Verfahren, und die Stichprobe entsprach mit nur fünf Paaren bestenfalls explorierender qualitativer Forschung. Das Autor:innen-Team scheint nach meiner Recherche fast identisch mit dem Team, das das Sage-Konzept entwickelt hat. Die wissenschaftliche Objektivität kann, muss aber nicht, dadurch beschädigt sein.
N.b.: die folgende Zusammenfassung basiert auf einer Zusammenfassung durch Bing Copilot, die ich redaktionell überprüft und nachbearbeitet habe.
A case series of sage: a new couple-based intervention for borderline personality disorder
Skye Fitzpatrick, Sonya Varma, David Chafe, Nikoo Norouzian, Jenna Traynor, Sophie Goss, Elizabeth Earle, Alyssa Di Bartolomeo, Ashley Siegel, Lindsay Fulham, Candice M. Monson and Rachel E. Liebman
Zitation: Fitzpatrick, S., Varma, S., Chafe, D. et al. A case series of sage: a new couple-based intervention for borderline personality disorder. bord personal disord emot dysregul 11, 1 (2024). https://doi.org/10.1186/s40479-023-00244-x
Dieser wissenschaftliche Open-Access-Journalbeitrag behandelt Sage, eine neue paarbasierte Intervention für Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (Borderline Personality Disorder, BPD) und ihre Partner. Die Autor:innen präsentieren eine Fallserie von fünf Paaren, die Sage absolviert haben, und untersuchen die Auswirkungen der Intervention auf die BPD-Symptome, den Beziehungskonflikt und die psychische Gesundheit der Partner.
Die Autor:innen beginnen mit einer Einführung in die Hintergründe und die Ziele von Sage. Sie erklären, dass Menschen mit BPD oft interpersonelle Dysfunktionen, Kommunikationsprobleme und Unzufriedenheit in ihren intimen Beziehungen haben, die die BPD-Symptome verstärken können. Sie stellen das Borderline Interpersonal-Affective Systems (BIAS) Modell vor, das postuliert, dass BPD durch die Wechselwirkung zwischen den dysregulierten Emotionen und der Kommunikation der Menschen mit BPD und ihren Partnern aufrechterhalten wird. Sie argumentieren, dass die Einbeziehung der Partner in die Behandlung von BPD die Intervention optimieren und beschleunigen kann, indem sie die kognitiven, emotionalen und kommunikativen Prozesse jedes Mitglieds und die Transaktion zwischen ihnen anspricht. Sie weisen auch darauf hin, dass die Partner von Menschen mit BPD oft selbst psychische Probleme haben, aber wenig Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung haben.
Sie beschreiben dann Sage als eine 12-sitzige manualisierte (also mit strukturierten Vorgaben entwickelte) Psychotherapie, die gemeinsam an Menschen mit BPD und ihre Partner geliefert wird, um BPD, die Beziehungsfunktion und die psychische Gesundheit der Partner gleichzeitig zu verbessern. Sie skizzieren die drei Phasen von Sage: Phase 1 bietet BPD-Psychoedukation und Fähigkeiten an, um Sicherheitsbedenken und Beziehungskonflikte zu mildern; Phase 2 lehrt dyadische (also Paar-) Emotionsregulation und effektive Kommunikationsfähigkeiten; Phase 3 konzentriert sich auf Kognitionen, die die Emotionsdysregulation und die Beziehungsdysfunktion beeinflussen, dyadische Strategien, um sie herauszufordern, und Rückfallprävention.
Sie berichten dann über die Methoden und die Ergebnisse ihrer Fallserie. Sie beschreiben die Teilnehmerkriterien, die Messinstrumente, die Verfahren und die Datenanalysestrategie. Sie stellen fest, dass sie fünf erwachsene intime Dyaden rekrutiert haben, bei denen ein Partner die DSM-5-Kriterien für BPD erfüllte und erhöhte suizidale Ideen oder chronisches und aktuelles suizidales oder nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten aufwies. Die Ausschlusskriterien waren schwere, vergangene Gewalt in der Partnerschaft, mangelnde Englischkenntnisse, Wohnsitz außerhalb von Ontario und klinisch signifikante Psychose, Bipolar-I-Störung mit Nebenbedingungen, schwere aktuelle Substanzstörung oder kognitive, intellektuelle oder medizinische Beeinträchtigung. Die primären Ergebnisse waren die BPD-Symptome der Teilnehmer mit BPD (Selbst- und Partner-Informantenbericht), das suizidale/selbstverletzende Verhalten und die suizidalen Ideen (Selbst- und Partner-Informantenbericht). Die sekundären Ergebnisse umfassten Selbstberichte über Konflikte von beiden Mitgliedern und Partnerberichte über ihre Emotionsdysregulation, Scham, Depression, Angst, positive Affekte, negative Affekte und Wut/Feindseligkeit. Die tertiären Ergebnisse umfassten Selbstberichte der Teilnehmer mit BPD über sekundäre Ergebnisse, Partner-Informantenberichte über ihre Emotionsdysregulation und Selbstberichte beider Mitglieder über die Beziehungszufriedenheit und die Interventionzufriedenheit.
Sie präsentieren die Ergebnisse für jede Dyade einzeln und klassifizieren die Reaktionen anhand der Reliable Change (RC) Indizes von Jacobson und Truax (1991). Sie stellen fest, dass vier von fünf Dyaden Sage abgeschlossen haben, mit hohen Interventionzufriedenheitsbewertungen. Sie zeigen, dass sich die BPD-Schwere, die suizidalen Ideen und das suizidale Verhalten/Selbstverletzung im Allgemeinen verbessert haben. Die Hälfte der Dyaden zeigte Verbesserungen im Konflikt, und zusätzliche Verbesserungen in den psychischen Gesundheitsergebnissen für die Dyadenmitglieder wurden gezeigt. Eine Dyade zeigte schlechte Ergebnisse und sie bieten Spekulationen darüber an, dass das besagte Paar möglicherweise durch das Thematisieren von Paarkonflikten während Sage in einen Nachbehandlungs-Beziehungsstress gekommen sei.
Sie schließen mit einer Diskussion über die Schlussfolgerungen, die Implikationen, die Einschränkungen und die zukünftigen Richtungen ihrer Fallserie ab. Sie schlussfolgern, dass die Ergebnisse einen Konzeptbeweis für Sage als eine Intervention liefern, die BPD und andere psychische Gesundheitsergebnisse bei Menschen mit BPD und ihren Partnern verbessern kann. Sie betonen, dass die Einbeziehung der Partner in die BPD-Behandlung eine vielversprechende Strategie sein kann, um die Ergebnisse zu optimieren und zu beschleunigen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass weitere Tests erforderlich sind, um die Wirksamkeit, die Machbarkeit, die Akzeptanz und die Mechanismen von Sage zu untersuchen. Sie erwähnen auch einige Einschränkungen ihrer Fallserie, wie die geringe Stichprobengröße, das Fehlen einer Kontrollgruppe, die Verwendung von Selbstberichtsmaßen und die begrenzte Generalisierbarkeit. Sie schlagen vor, dass zukünftige Studien randomisierte kontrollierte Studien mit größeren und vielfältigeren Stichproben, mehreren Ergebnisbewertern und längeren Nachbeobachtungszeiträumen durchführen sollten.