Der folgende Journalbeitrag widmet sich der Wirksamkeit von Teletherapie im Vergleich zu persönlicher Paartherapie. Die US-Autor:innen von der Brigham-Young-University (Utah) sprechen bei Teletherapie von synchronen Online-Video-Therapiesessions; ich habe es in der Zusammenfassung bei der Wortwahl der Autor:innen belassen. Die Studie ist vor allem durch ihre Stichprobengröße von 1157 Paaren interessant, aber es soll nicht verschwiegen werden, dass die Publikation nach meinen Recherchen nicht peer-reviewed ist. Außerdem ist die Untersuchung nicht randomisiert, die Paare wurden also nicht nach dem Zufallsprinzip einer Online- oder einer Vor-Ort-Therapie zugewiesen. Faktoren wie z.B. die sogenannte Selbstselektion können also die Ergebnisse verzerren.

Das Autor:innen-Team forscht überwiegend an der Brigham-Young-University in Provo, Utah, deren Träger:in die Glaubensgemeinschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage ist, in Deutschland auch  als Mormonen bekannt (wenngleich es im Detail nicht hundertprozent übereinstimmt). M.E. hat dies nach oberflächlicher Prüfung allerdings keinen Einfluss auf die Objektivität der Forschung gehabt.

Und natürlich spielte bei der Auswahl dieser Studie meine eigene Spezialisierung auf Online-Paartherapie eine Rolle.

N.b.: die folgende Zusammenfassung basiert auf einer Zusammenfassung durch Bing Copilot, die ich redaktionell überprüft und nachbearbeitet habe.

Call me maybe? In-person vs. teletherapy outcomes among married couples

Angela B. Bradford, Lee N. Johnson, Shayne R. Anderson, Alyssa Banford- Witting, Quintin A. Hunt, Richard B Miller & Roy A. Bean

Zitation: Angela B. Bradford, Lee N. Johnson, Shayne R. Anderson, Alyssa Banford- Witting, Quintin A. Hunt, Richard B Miller & Roy A. Bean (13 Sep 2023): Call me maybe? In- person vs. teletherapy outcomes among married couples, Psychotherapy Research, DOI: 10.1080/10503307.2023.2256465

Die Autor:innen beginnen mit einer Einführung, in der sie den Hintergrund und die Relevanz der Teletherapie im Kontext der COVID-19-Pandemie erläutern. Sie geben einen Überblick über die bestehende Literatur zur Wirksamkeit der Teletherapie bei individuellen Klient:innen und weisen auf die Lücken in der Forschung zu Paartherapie hin. Sie stellen die Hypothese auf, dass Teletherapie und persönliche Therapie ähnliche Ergebnisse bei Paaren erzielen, aber dass die therapeutische Allianz in der Teletherapie langsamer wächst. Sie erwarten auch, dass das Alter der Klient:innen und die Art der Klinik die Ergebnisse moderieren.

Im Methodenteil beschreiben die Autor:innen das Design, die Stichprobe, die Maße, die Prozedur und die Analyse ihrer Studie. Sie verwendeten eine quasi-experimentelle, Längsschnitt-Archivdatenanalyse mit Daten von Klient:innen, die zwischen 2018 und 2020 Paartherapie erhielten. Die Klient:innen wurden entweder in persönliche oder in Teletherapie zugewiesen, je nach ihrer Präferenz oder Verfügbarkeit. Die Klient:innen füllten vor jeder Sitzung Fragebögen zur Paarzufriedenheit, sexuellen Zufriedenheit und therapeutischen Allianz aus. Die Autor:innen verwendeten individuelle Wachstumskurvenmodelle, um die Veränderungen in den Ergebnissen über die Zeit zu schätzen, wobei sie die Therapiemodalität, das Alter der Klient:innen und die Art der Klinik als Prädiktoren oder Moderatoren einbezogen.

Im Ergebnisteil berichten die Autor:innen über die deskriptiven Statistiken, die Modellpassung und die geschätzten Parameter ihrer Modelle. Sie fanden heraus, dass die Therapiemodalität (also Online oder vor Ort) keinen signifikanten Einfluss auf die Veränderungen in der Paarzufriedenheit und der sexuellen Zufriedenheit hatte, aber einen signifikanten negativen Einfluss auf die Veränderungen in der therapeutischen Allianz hatte. Das bedeutet, dass die Klient:innen in der Teletherapie eine geringere Verbesserung der Allianz zeigten als die Klient:innen in der persönlichen Therapie. Sie fanden auch heraus, dass das Alter der Klient:innen keinen signifikanten moderierenden Effekt auf die Ergebnisse hatte, aber die Art der Klinik einen signifikanten moderierenden Effekt auf die Veränderungen in der sexuellen Zufriedenheit hatte. Das bedeutet konkret, dass die Klient:innen in Gruppen- und Privatpraxen eine größere Verbesserung der sexuellen Zufriedenheit zeigten als die Klient:innen in Ausbildungskliniken.

Im Diskussionsteil interpretieren die Autor:innen ihre Ergebnisse im Licht der bestehenden Literatur und Theorie. Sie diskutieren die möglichen Gründe für die Unterschiede in der Entwicklung der therapeutischen Allianz zwischen den Modalitäten, wie z.B. die technischen Herausforderungen, die geringere nonverbale Kommunikation und die geringere emotionale Nähe in der Teletherapie. Sie schlagen vor, dass Therapeuten in der Teletherapie mehr Aufmerksamkeit auf den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer starken Allianz mit beiden Partnern legen sollten. Sie diskutieren auch die möglichen Gründe für den moderierenden Effekt der Art der Klinik auf die sexuelle Zufriedenheit, wie z.B. die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus, Erfahrungen und Interventionen der Therapeut:innen in verschiedenen Kliniken. Sie schlagen vor, dass Therapeut:innen in Ausbildungskliniken mehr Schulung und Supervision in Bezug auf sexuelle Themen benötigen.

Die Autor:innen schließen mit einer Erörterung der Stärken, Grenzen und Implikationen ihrer Studie ab. Sie betonen, dass ihre Studie eine der ersten ist, die die Wirksamkeit von Teletherapie bei Paaren quantitativ untersucht, und dass sie eine große und diverse Stichprobe verwendet hat. Sie erkennen jedoch an, dass ihre Studie einige Einschränkungen hat, wie z.B. die fehlende Randomisierung, die fehlende Kontrolle für andere Variablen, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, und die fehlende Messung der Behandlungstreue oder der Zufriedenheit mit der Therapiemodalität. Sie empfehlen, dass zukünftige Studien diese Einschränkungen angehen und weitere Faktoren untersuchen, die die Wirksamkeit von Teletherapie bei Paaren beeinflussen könnten, wie z.B. die Art der therapeutischen Intervention, die Schwere der Probleme oder die Präferenz der Klient:innen. Sie schlagen vor, dass ihre Studie wichtige klinische Implikationen hat, wie z.B. die Förderung der Verwendung von Teletherapie als eine praktikable Option für Paare, die Schwierigkeiten haben, persönliche Therapie zu erhalten, und die Sensibilisierung der Therapeut:innen für die besonderen Herausforderungen und Anpassungen, die Teletherapie erfordert.